Die Grundidee, der didaktisch, pädagogische Kern hinter der Miniphänomenta, ist die Auseinandersetzung von Schülerinnen und Schülern mit Phänomenen der Naturwissenschaft. Unterricht ist noch allzu oft stark von Lehrenden abhängig, auf formale Inhalte und Lernzielkontrollen zentriert, die Umgebungsfaktoren sind nicht immer ideal: in der Summe wird dadurch aus unserer Sicht zu wenig direkte Auseinandersetzungen im Experiment und in selbstständiger Kooperation miteinander ermöglicht.
Dies gelingt durch die Ausstellung der Miniphänomenta, eine Sammlung von 20-40 Exponaten, die im Schulflur aufgestellt und im oder neben dem Unterricht frei von Schülerinnen und Schülern genutzt werden und die Lehrkräfte anregt, Inhalte und Methoden der Ausstellung in ihren Unterricht zu integrieren. Das Projekt Miniphänomenta lässt sich mit den drei Säulen: Selbststeuerung, Interaktion und Forschung beschreiben.
Selbstgesteuertes Lernen an der Miniphänomenta bedeutet, dass die Schülerin und der Schüler selbstständig, ohne Einmischung der Lehrkräfte und nach eigenem Interesse an den Exponat arbeiten können.
Interaktives Lernen an der Miniphänomenta bedeutet, dass die Schülerin und der Schüler an den Exponaten arbeiten können, mit den Exponaten in Interaktion treten können und untereinander interagieren können.
Forschendes Lernen bedeutet, dass die Schülerin und der Schüler selbsttätig Fragen an den Exponaten entwickeln können, Beobachtungen an den Exponaten machen können und Hypothesen zur Lösung der Phänomene einbringen können.
Das Ziel
Die Ziele unseres Projektes ergeben sich aus Anforderungen der aktuellen Bildungslandschaft. Zentral waren dort in den letzten Jahren die Arbeiten von Prof. Dr. John Hattie oder die Erhebungen von Prof. Andreas Schleicher und dem PISA-Forschungsteam. Zwei Aspekte daraus ergeben unsere aktuellen Zielsetzungen.
„Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die Lehrerin. Das sagt John Hattie." (Spiewak, 2013)
„Der Lehrer moderiert keine Lernprozesse sondern […] legt Ziele fest, macht sie transparent, leitet Lernprozesse an und gibt die Lernschritte vor.“ (Schecker, 2013)
Konzeptionell begegnen wir im Projekt Miniphänomenta oft der oben beschriebenen Verkürzungen oder Missinterpretationen der bekannten Meta-Studie zu Wirkungen auf das Lernen von John Hattie. Unterricht ist noch viel zu oft zentral auf die Lehrperson orientiert, Partizipation, Interaktion und Selbststeuerung nur bedingt im Schulalltag möglich. Selbst die Unterscheidung von Sicht- und Tiefenstrukturen bestätigen zwar die wesentliche Rolle der Lehrenden für Unterrichtsprozesse, dennoch scheinen genug Gründe zu bestehen Experimente und freie, selbstgesteuerte Unterrichtsmethoden nur sehr limitiert einzusetzen. Ein Grund liegt sicherlich in den Anforderungen an die Vermittlung von Fachwissen, bei der experimentelle Kompetenzen und Interessen weniger zur Geltung kommen. Lehrerinnen und Lehrer dazu zu ermutigen, auch diese Aspekte in den Blick zu nehmen, ist eine unserer Kernaufgaben. Unser Angebot dazu:
"Macht es erst neben dem Unterricht in der Ausstellung der Miniphänomenta und bleibt mutig es dann auch im Unterricht zu ändern!"
Die Interpretationen der Hattie-Studie sind vielschichtig und individuell. Wir folgen der metrischen Verteilung der Effektstärken. An der Spitze der Ergebnisse der Hattie Studie stehen zwei zentrale Forderungen an besseren Unterricht:
Schülererwartungen Das Kriterium “Selbstbeurteilung” oder auch treffender “Schülererwartung” bezeichnet das deutlichste Wirkungskriterium auf das Lernen. “Hat eine Schülerin oder ein Schüler tatsächlich eine Lernleistung erbracht, die die eigene Erwartung übertraf, schafft dies Selbstvertrauen in das eigene Lernen und wirkt sich positiv auf den Lernerfolg aus.” Wir entnehmen daraus, wie wichtig das Kompetenzerleben für den Lernerfolg für Schülerinnen und Schüler ist und möchten ihnen mit unserem Projekt im Sinne der self determination theory von Deci und Ryan die Möglichkeit geben sich selbst kompetent zu erleben (Competence), Autonomie im Handeln zu erfahren (Autonomy) und dabei sozial in ihre peer-group eingebunden zu sein (Social-relatedness). Dieser Ansatz ermöglicht unseren Erfahrungen nach Persönlichkeitsmerkmale, wie Motivation, Einstellungen, Interessen und Selbstkonzepte positiv zu verändern.
Orientierung am Schüler In Bezug zu Jean Piaget und seinen Konzepten formuliert John Hattie mit seinem zweitstärksten Wirkungskriterium: "Konzentrieren Sie sich weniger auf das Ergebnis als vielmehr auf den Denkprozess und zwingen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler nicht zu “Erwachsenen-Denken"." Da sich die meisten Schülerinnen und Schüler in der Primarstufe und unteren Sekundarstufe auf der konkret operationalen Stufe befinden bedeutet kindgerechtes Denken aus unserer Sicht anschauliche Erfahrungen zu machen und mit konkreten Objekten und Vorstellungen zu operieren, in unserem Ansatz sind dazu das Erfahrungsfeld der Miniphänomenta-Exponate und die Kompetenzen der Lehrkräfte eigenständig mit Exponaten, Experimenten und Phänomenen zu arbeiten.
Konkrete Ziele, die sich das Projekt auf die Fahnen geschrieben hat und an denen wir uns messen, sind daher wie folgt:
Verankerung - Das Konzept der Miniphänomenta ist regional, überregional und international in Schulen der Primarstufe und Sekundarstufe I verankert.
Unterstützung - Schulen, die am Projekt Miniphänomenta teilnehmen, werden von uns in der Entwicklung von selbstgesteuerten, interaktiven und forschenden Lernformen begleitet.
Veränderung - Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer erfahren nachweisbare, positive Veränderungen in MINT-bezogenen Kompetenzen (Experimentelle Kompetenz) und Persönlichkeitsmerkmalen. (Motivation, Interesse, Selbstkonzepte)
Qualität - Die Fortbildungsangebote der Miniphänomenta bieten einen besonderen Standard (Fortbildungsqualitäten) und ermöglichen die Veränderungen von methodischen Kompetenzen und fachbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (Persönlichkeit)
Weiterentwicklung - Aktivität, Partizipation und Kreativität unseres Projektteams und unserer Projektpartner ermöglichen die Umsetzung und Weiterentwicklung des Kernkonzeptes in weiteren Bereichen.
Ein wesentliches Ziel ist damit noch nicht genannt, weil es über all diesen Zielen steht, uns immer wieder zurückgemeldet wird und unser tägliches Handeln begleitet:
“Wir, das Team von Miniphänomenta sind begeistert und überzeugt davon, dass unser Konzept mit uns einen besonderen Beitrag für die Bildungslandschaft leisten kann, aber viel wichtiger, dass es Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und alle weiteren Projektpartner in besonderer, positiver Weise zusammen bringen und begeistern kann!”
Die Umsetzung
Seit dem Startschuss der Miniphänomenta zu Beginn der 2000er Jahre hat das Projekt mit diesem Ansatz bundesweit und weltweit für Aufsehen gesorgt. Entwickelt wurde das Konzept an der Universität Flensburg unter Prof. Dr. Lutz Fiesser und einem Team wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktoranden.
In Kooperation und besonderem Engagement von Arbeitgeberverbänden, wie der Nordmetall-Stiftung, der Stiftung Niedersachsen-Metall, dem Bildungswerk der Nordrhein-Westfälischen Wirtschaft e.V., dem Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes e.V. - ME Saaroder, und der Bildungsinitiative Technik – Zukunft in Bayern 4.0 Im Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e.V. oder den Stadtwerke Kiel AG gelang es bis heute das Projekt in den meisten Bundesländern starten zu lassen. Zunehmend fördern nun auch Bundesländer selbst das Projekt. Federführend in der Förderung unseres Ganztagskonzepts Miniphänomenta PLUS+ ist seit 2025 das Land Schleswig-Holstein.
In einigen Bundesländern haben sich über die Jahre dauerhafte Konzepte entwickelt, in anderen Bundesländern lief das Projekt aus. Im Verlauf der Jahre wurde immer deutlicher sichtbar, dass das Projekt, das zunächst als propädeutisches Primarstufen-Interventionsprojekt für Grundschulen angesetzt war, ebenso in der Sekundarstufe und im Unterricht an unterschiedlichen Schulformen und darüber hinaus einsetzbar ist. Daneben wurde das Projekt mit Ländern, wie Polen, Litauen, der Ukraine oder Thailand international.
Im Jahre 2018 wechselte die Träger- und Förderschaft der Miniphänomenta. Träger des Konzeptes ist aktuell der Verein “Phänomenta e.V.” und die Finanzierung erfolgt nicht ausschließlich zentral, sondern durch einzelne Förderer mit verschiedenen Förderungsmodellen und für verschiedene Förderregionen. Auf Grund seiner erfolgreichen Arbeit über Jahrzehnte hinweg wird Prof. Fiesser mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.